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VERSENGOLD | Nacht der Balladen 2023 - HISTORISCHE STADTHALLE WUPPERTAL - 31.03.2023
VERSENGOLD bescheren der Stadthalle Wuppertal knapp elf Monate nach der 2022er Show eine weitere, magische Nacht. Die Nordlichter geben sich in der neuen Auflage deutlich reduzierter und legen das Hauptaugenmerk auf die ruhigen Töne
Vor zehn Monaten waren VERSENGOLD zuletzt zu Gast in der Historischen Stadthalle Wuppertal, dem Nachholtermin der seit 2020 immer wieder verschobenen Tour. Dass die Mannschaft damals voller Tatendrang und Power sich nur schwer zu den für diese Konzertreihe typischen, ruhigen Stücken ihres Repertoires durchringen konnte, wurde zu jedem Zeitpunkt deutlich. Glücklicherweise sind die konzertlosen Monate auch für VERSENGOLD Geschichte, so dass an diesem Abend die melancholischen Töne dominieren und den ihnen gebührenden Raum einnehmen können. Doch der Reihe nach.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts das Wahrzeichen Wuppertals
Die Historische Stadthalle Wuppertal ist einer der schönsten Veranstaltungsorte des Landes. Ende des 19. Jahrhunderts als Wahrzeichen der aufstrebenden und damals noch selbständigen Stadt Elberfeld gedacht, dient das schmucke Bauwerk heutzutage sowohl als Konzerthaus des Wuppertaler Sinfonieorchesters, als auch als Veranstaltungsort für Konzerte aller Art. Die sensationelle Akustik der Wuppertaler Stadthalle ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und neben den prächtigen Stuckarbeiten im Inneren des Großen Saals fesselt vor allem eine große Orgel von Wilhelm Sauer die Blicke der Besucher. Dass dieses Schmuckstück von Tausendsassa Alexander Willms im weiteren Verlauf tatsächlich zum Klingen gebracht wird, ist ein weiteres Highlight des Abends.
Gestartet wird das Konzert mit dem perfekten Opener „Vom Zauber des Wildfräuleins“, einem Titel, der geradezu prädestiniert ist für das Anliegen der Band, die ruhigen und emotionalen Momente an diesem Abend in den Mittelpunkt des Geschehens zu stellen. „Windsbraut“ im Anschluss hält den Spannungsbogen wunderschön gespannt bevor es mit „Küstenkind“ etwas beschwingter zur Sache geht.
Tjark Evers: Emotionale Achterbahnfahrt
Nach „Die Schönheit der Schatten“, mit dem ersten Auftritt von Gaststar Aeva Maurelle, folgt die Geschichte von „Tjark Evers“. Das SCHANDMAUL-Cover darf auf keiner Nacht der Balladen fehlen. Es erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der mit einem Schiff am Morgen des 23. Dezember 1866 zurück nach Baltrum gebracht werden soll, weil er dort mit seiner Familie das Weihnachtsfest feiern möchte. Im dichten Nebel des dämmernden Morgens setzt ihn der Kapitän des Schiffes versehentlich nicht auf Baltrum, sondern auf einer Sandbank ab, was Tjark Evers erst bemerkt, als das Boot bereits außer Sicht- und Rufweite ist.
Da Evers weiß, dass es für ihn bei einsetzender Flut keine Rettung geben wird, schreibt er einen Abschiedsbrief in sein Notizbuch, welches er in die Zigarrenkiste legt, die er seinem Vater zu Weihnachten hatte schenken wollen. Diese Zigarrenkiste wird etwa zwei Jahre nach seinem Verschwinden tatsächlich gefunden, während seine sterblichen Überreste bis auf den heutigen Tag verschollen sind. Es gibt wohl niemanden im Saal, dem das Schicksal des jungen Mannes nicht einen Schauer über den Rücken jagt. Das folgende „Meer aus Tränen“ wird mit genialen Melodien der Streicher veredelt und leitet über zu „Herz durch die Wand“ vom „Funkenflug“-Album aus dem Jahr 2017.
Von Winterfluten und alten Männern an den Schaltstellen der Macht
„Das Bier ich in der Rechten trug“ zeigt die Band von ihrer komödiantischen Seite und gibt Malte Hoyer die Gelegenheit, die Weite der Stadthalle Wuppertal in Gänze zu durchschreiten, selbstverständlich nicht ohne das besungene Kaltgetränk. Der Song wird immer mal wieder unterbrochen, um dem Frontmann Zeit zu geben, sich auf die nächsten Verse zu besinnen, was nicht immer gelingt, da der Plausch mit dem Publikum im Vordergrund steht. Die Band zeigt sich daher auch sichtlich erleichtert, als Hoyer zurück auf der Bühne ist und „Die wilde Jagd“ beginnen kann. „Lautes Gedenken“ bildet dann den Abschluss des ersten Sets.
Nach der verdienten Pause folgt mit „Auf in den Wind“ der zweite Auftritt der famosen Aeva Maurelle, die dem Song ihren ganz eigenen Stempel aufdrückt. „Winterflut 1717“ im Anschluss beschreibt die verheerende Flut des Jahres 1717, die vielen Menschen das Leben kostete. Danach erzählt Malte Hoyer, wie der folgende Song entstanden ist. „Alte Männer“ ist die Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine und rechnet ab mit den überwiegend alten Männern an den Schalthebeln der Macht, die kurz vor ihrem eigenen Ableben nichts mehr zu verlieren haben und somit keine Skrupel haben, jungen Menschen in Kriege zu schicken, um ihre Allmachtsphantasien ausleben zu können. Hoyer legte den Text auf der Fahrt ins Tonstudio per Sprachnotiz auf seinem Handy ab, im Studio angekommen wurde der Song innerhalb weniger Stunden aufgenommen und postwendend auf YouTube hochgeladen, wo er mittlerweile mehr als 500.000 Mal abgerufen wurde.
Ein denkwürdiger Augenblick und ein Statement gegen alle Kriege dieser Welt, die alle „scheiße“ sind, wie Hoyer deutlich betont.
Tod, Trommeln und ein Testament
Nach „Tod und Trommeln“, das im Herbst auf dem neuen VERSENGOLD-Album erscheinen wird, gibt es das vertonte Testament Malte Hoyers, das nach seinem schweren Autounfall in Marokko entstand. „Haut mir kein Stein“ sei all jenen ans Herz gelegt, die mit dem Namen VERSENGOLD bisher nichts anfangen können. Tiefgründiger und dennoch gleichzeitig heiter-beschwingter kann man seinen letzten Willen nicht kundtun. Anschließend gibt es mit „Paules Beichtgang“ eine geniale Persiflage auf den von der Kirche im Mittelalterlicher praktizierten Ablasshandel. Bei „Thekenmädchen“ gibt es dann kein Halten mehr und VERSENGOLD schalten zum ersten Mal an diesem Abend ernsthaft in den Partymodus, was im Saal für sofortiges Mitfeiern sorgt. „Die letzte Runde“ im Anschluss ist der letzte Eintrag der regulären Setlist, die Nordlichter kommen aber um eine vehement geforderte Zugabe nicht herum, die mit „Mondlicht“ und dem unvermeidlichen „Abgesang“ entsprechend zelebriert wird.
FAZIT: VERSENGOLD bescheren ihren Fans in Stadthalle Wuppertal eine unvergessliche Nacht der Balladen, die in dieser Auflage noch deutlich melancholischere Akzente setzt als vor elf Monaten an gleicher Stelle. Ein Fest für Geist und Seele, das neben tiefgründigen Texten insbesondere durch die klassischen Arrangements besticht, für die einmal mehr der formidable Florian Janoske verantwortlich zeichnet. Ich wiederhole hier mein Fazit des vergangenen Jahres sehr gerne: Eine Sternstunde.